

Videos von ausgehungerten Geiseln im Gazastreifen sorgen für Entsetzen
Videos von ausgehungerten israelischen Geiseln im Gazastreifen haben für Entsetzen und scharfe Verurteilungen gesorgt. "Die Grausamkeit der Hamas kennt keine Grenzen", erklärte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu in der Nacht zum Sonntag. In Gesprächen mit den Familien der in den Videos vorgeführten Geiseln Rom Braslavski und Evyatar David äußerte er nach Angaben seines Büros seine "tiefe Bestürzung". Die Aufnahmen der ausgemergelten Geiseln seien "erschreckend und offenbaren die Barbarei der Hamas", erklärte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas erklärte.
Die radikalislamischen Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Dschihad hatten zuvor insgesamt drei Propagandavideos der seit Oktober 2023 gefangen gehaltenen Geiseln Braslavski und David verbreitet. Ein Video zeigt den abgemagerten 24-jährigen David, wie er sich in einem engen Tunnel sein eigenes Grab zu schaufeln scheint.
Ein anderes Video zeigt, wie der Deutsch-Israeli Braslavski sich Nachrichtenvideos über die Hungersnot der Palästinenser im Gazastreifen anschauen muss. Der 21-Jährige bittet die israelische Regierung in den Aufnahmen, sich für seine Freilassung einzusetzen. Offenbar versuchen die Islamisten, mit den Geiselvideos Parallelen zur Hungersnot im Gazastreifen zu ziehen.
Netanjahu reagierte empört. "Während der Staat Israel humanitäre Hilfe für die Bewohner des Gazastreifens zulässt, hungern Hamas-Kämpfer unsere Geiseln absichtlich aus und filmen sie auf zynische und abscheuliche Weise", erklärte der Ministerpräsident. Er versicherte den Familien der Geiseln nach Angaben seines Büros, "dass die Bemühungen um die Rückkehr aller unserer Geiseln fortgesetzt werden und ohne Unterlass weitergehen werden".
Der israelische Präsident Isaac Herzog erklärte im Kurzbotschaftendienst X, die "Gesichter der Geiseln" würden "alles" sagen: "Sie werden gezwungen, ihre eigenen Gräber zu schaufeln."
Die Eltern von Evyatar David, der seit fast 22 Monaten im Gazastreifen festgehalten wird, warfen der Hamas vor, den jungen Mann zu Propagandazwecken auszuhungern. "Die Hamas benutzt unseren Sohn als lebendes Versuchsobjekt in einer abscheulichen Hungerkampagne. Das absichtliche Aushungern unseres Sohnes als Teil einer Propagandakampagne ist eine der schrecklichsten Taten, die die Welt je gesehen hat," erklärten sie. In Tel Aviv demonstrierten am Samstagabend zehntausende Menschen für eine Freilassung der Geiseln.
Die EU-Außenbeauftragte Kallas forderte auf X, alle Geiseln müssten "unverzüglich und bedingungslos freigelassen" werden. "Die Hamas muss ihre Waffen niederlegen und ihre Herrschaft im Gazastreifen beenden." Gleichzeitig müsse "umfassende humanitäre Hilfe" zu den Bedürftigen im Gazastreifen gelangen, erklärte Kallas.
Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot verurteilte die "abscheulichen, unerträglichen Bilder" der israelischen Geiseln. Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hatte bereits am Freitag bei seiner Nahost-Reise über das Video der Geisel Rom Braslavski gesagt, diese "schreckliche" Aufnahme zeige "aufs Neue die ganze Niedertracht der Geiselnehmer".
Die Hamas und mit ihr verbündete Gruppen hatten bei ihrem Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 mehr als 1200 Menschen getötet und 251 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. Noch immer werden 49 israelische Geiseln von den Islamisten festgehalten, mindestens 27 von ihnen sind nach Angaben der israelischen Armee aber bereits tot.
Derweil hat das massive militärische Vorgehen Israels als Reaktion auf den Hamas-Angriff zu einer katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen geführt. Mehr als hundert Hilfsorganisationen warnten kürzlich vor einem "massenhaften Verhungern" in dem Palästinensergebiet.
International ist der Druck auf Israel gewachsen, mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen und einer neuen Waffenruhe zuzustimmen. Netanjahu machte am Wochenende erneut die Hamas für den Hunger im Gazastreifen verantwortlich: Die Hamas hungere die Bewohner des Palästinensergebiets "vorsätzlich aus", verwehre ihnen den Zugang zu Hilfsgütern und betreibe eine "Lügenkampagne gegen Israel", erklärte er.
Netanjahus Vorgehen im Gaza_Krieg ist auch in der eigenen Bevölkerung höchst umstritten. Kritiker werfen dem Regierungschef vor, sich nicht ausreichend für eine Freilassung der Geiseln einzusetzen.
Der US-Sondergesandte Steve Witkoff, traf am Samstag in Tel Aviv mit Geisel-Angehörigen zusammen. Das Forum der Geisel-Familien erklärte anschließend, Witkoff habe "persönlich" zugesagt, sich gemeinsam mit US-Präsident Donald Trump für die Freilassung der verbleibenden Geiseln einzusetzen.
Israels Armeechef Eyal Zamir drohte derweil mit einer Fortsetzung der Kämpfe im Gazastreifen, falls die verbliebenen israelischen Geiseln nicht bald befreit werden. Er gehe davon aus, "dass wir in den nächsten Tagen erfahren werden, ob wir eine Einigung über die Freilassung unserer Geiseln erzielen können", erklärte er. Andernfalls werde "der Kampf ohne Unterbrechung weitergehen".
C.Palacios--BT